Die Loretto-Kapelle
Stichworte zur Biografie eines Gebäudes
1671
Als Dank für das Ende einer Seuche lässt der Zwiefalter Abt Christoph Räßler auf einer nahegelegenen Anhöhe ein Wallfahrtskirchlein errichten. Vorbild ist die zu jener Zeit bedeutendste Wallfahrtskapelle Europas, einer Marienkapelle in Loreto/Mittelitalien, bei der es sich der Legende nach um das durch Engel translozierte Geburtshaus der hlg. Maria handeln soll. Das war damals keineswegs ungewöhnlich. Es sind heute noch mehrere Dutzend solcher Loretto – Kapellen zwischen Freiburg im Westen und Prag im Osten bekannt, die alle, wie auch “unsere” aus der Zeit der Gegenreformation stammen und denen allen praktisch der gleiche Bauplan zu Grunde liegt – derjenige der Kapelle von Loreto in Italien.
1803
Mit der Aufhebung der Klöster in Württemberg durch Napoleon (“Säkularisation”) kommt auch das Ende der Wallfahrt in Loretto/Zwiefalten, die ohnehin nie so richtig angenommen worden war. Vergeblich hatte man auf ein Heilungswunder oder etwas Vergleichbares gewartet, Die Kapelle wird nun umgebaut und in den entstehenden Bauernhof einbezogen, sie erhält ein Scheunentor und statt des Tonnengewölbes mehrere Zwischenböden, der oberste wird in späteren Jahren auch den Wasserhochbehälter zur Versorgung des Hofes tragen. Kurz und gut: die Kapelle muss sich ihr Brot jetzt sozusagen verdienen. Der Hof geht im Lauf der Jahrzehnte durch mehrere private Hände, die Kapelle ist zeitweise auch im Besitz des Herrn von Schloss Ehrenfels.
1897-1987
Der Hof ist mangels Erben an den König von Württemberg gefallen und wird als Außenstelle der psychiatrischen Klinik von Zwiefalten betrieben. Ställe und Wiesen werden unter Einbeziehung von Patienten bewirtschaftet.
Seit 1994
Das späte Wunder von Loretto: Das Land Baden-Württemberg verkauft den Hof in private Hände:
Es entstehen der Ziegenhof, die Holzofenbäckerei und das Ausflugsziel Loretto.
Die ehemalige Kapelle, zuletzt unter anderem als Hühnerstall genutzt, erfährt eine späte Würdigung:
1998 von innen denkmalpflegerisch saniert und 2001 mit Mitteln des Denkmalschutzamtes und der Stiftung Denkmalschutz auch von außen restauriert, ist sie heute zugleich Schmuckstück und Hofladen des Loretto-Hofs.